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Digitale Depression – wie Social Media unsere Gehirne neu verkabelt

Die digitale Welt um uns herum nimmt immer mehr Raum ein. Gefühlten Raum, physischen Raum. Sie ist heute nicht mehr Parallelwelt oder Fluchtraum vor der Realität. Vielmehr ist sie Lebensmittelpunkt, im privaten sowie im Arbeitsalltag. In ihr lebt sich nicht nur die junge Generation in einem Maße aus, wie es die feststoffliche Offline-Welt nicht zu leisten vermochte. Denn die große Nähe des Digitalen, des Virtuellen zur Gedanken- und Traumwelt erlaubt es uns, unsere Impulse, Wünsche, Träume und Gedanken vollkommen anders auszudrücken. Oder generell überhaupt auszudrücken. Stellenweise nehmen unsere mannigfaltigen virtuellen Persona im Netz einen für uns höheren Stellenwert ein. Die Anonymität im Netz ist ein wichtiger Bestandteil dessen. Denn das Leben im Internet bietet eine weitestgehend repressionsfreie Zone, auf die das familiäre Umfeld, die soziale Umgebung oder auch Staatsorgane keinen oder nur begrenzten Zugriff haben. Dinge, die im Alltag und im unmittelbaren gesellschaftlichen Kontext nicht ausgelebt werden können, finden umso reger im Internet statt. Und das hat seine absolute Daseinsberechtigung und die enorme Popularität von Online-Foren und Social Media Plattformen sind Ausdruck dessen.

Vom Erlebnis zur Sucht

Nun sind aber vor allem aber Social Media Plattformen wie Facebook oder Instagram primär profitorientierte Unternehmen, die ihre Umsätze über das Schalten von Werbeanzeigen finanzieren. Dies wiederum bedeutet für die Betreiber dieser Plattformen, dass das Produkt möglichst häufig von seinen Nutzern genutzt werden soll. Wie dieses geschehen kann, wird von Facebook und Co. sehr genau untersucht, sodass dem Nutzer zum einen ein immer angenehmer und intuitiver zu bedienendes Produkt gebastelt wird. Im Idealfall swipen wir ohne groß darüber nachzudenken auf unserem iPhone von einem Post zum nächsten. Darüber hinaus sind diese Seiten aber auch so konzipiert, dass man auf ihnen in der Regel mehr Zeit verbringt, als nötig wäre oder geplant war. Zudem soll der Nutzer möglichst oft aktiv auf das Produkt zugreifen. Das läuft hauptsächlich über zwei Mechanismen – das Erregen von Aufmerksamkeit und über Belohnungen. Die Konzeption der Programme beruht auf Erkenntnissen aus der Verhaltenspsychologie. Aufmerksamkeit schafft man in erster Linie über Push-Benachrichtigungen, Display Pop-Ups und über diese kleinen, aber kraftvollen Benachrichtigungssymbole und -lämpchen. Die Belohnungsmechanismen appellieren an unseren Narzissmus, an unser Geltungsbedürfnis. Wir posten etwas, bekommen Likes, werden also wahrgenommen, sind zufrieden, unser Körper schüttet Dopamin aus. Seiten wie Facebook wollen den User genau dort haben; in „[…] schnell reagierenden, dopamingetriebenen Feedbackschleifen […]“, wie es Jaron Lanier, einer der frühen Pioniere des Silicon Valley, ausdrückt. Der Nutzer wird stetig zur regelmäßigen Nutzung konditioniert, ohne dass es ihm überhaupt bewusst wäre. Denn die Eigenwahrnehmung ist freilich die, dass man selbst Herr über seine Intentionen und Aktionen ist. Der Weg dieser Konditionierung führt, und darauf hoffen die Programmierer, in eine Abhängigkeit. Denn wie bei Rauschmitteln oder dem Glücksspiel auch, wird hier vom Körper das wiederholte Erleben des Glücksgefühls eingefordert. Ein Umstand, gegen den sich auch mit dem Wissen darüber nur schwer angehen lässt.

Echokammern verfestigen Tendenzen

Zusätzlich sorgt das Ausspielen personalisierter Werbung und Newsfeeds dazu, dass Blasen oder sogenannte Echokammern entstehen. Also ein Umfeld, in dem der User nur Themen und Aussagen ausgespielt bekommt, die seinem eigenen Weltbild entsprechen und dieses durch die permanente bestätigen und verfestigen. Wir fühlen uns also verstanden durch unser unmittelbares virtuelles Umfeld. Und wer sich verstanden fühlt, teilt weitaus mehr von sich, gibt Meinungen preis, sein emotionales Innenleben ebenso. Die Kombination aus betont süchtig machenden Plattformen, steter Affirmation der eigenen Gedanken sowie der emotionalen Nähe zu diesen Plattformen sorgt dafür, dass wir uns sehr tief in das Medium begeben und unsere Anerkennung auch gezielt dort suchen und einfordern. Dies kann umso mehr auftreten, wenn in der realen Welt solche Anerkennung Mangelware ist, sodass sich der Fokus auf die Netzwelt verschiebt.

Ultimative Einsamkeit

So problematisch die Sache generell schon ist, umso gravierender wird die Situation, wenn uns die Diskrepanz zwischen diesen beiden Welten bewusst wird. Der Umstand, dass wir zuhause auf den Bildschirm starren und uns unterhalten, uns Bilder anschauen, an fremden Leben und Welten teilhaben, in Wirklichkeit aber unbewegt und allein zuhause sitzen, kann sich schwer auf die Stimmung legen. Wer ohnehin schon mit schweren Gedanken durch die Welt geht, sich mit depressiven Episoden herumplagt, erfährt durch den obsessiven Social Media Konsum vermehrt verstärkte Momente der Einsamkeit, die unüberbrückbar erscheinen können. Umso mehr, wenn wir uns der Ursachen bewusst sind, aber realisieren, dass es aus dieser Lage kein schnelles Entkommen gibt. Im Grunde, wie bei allen anderen Suchtformen auch, ist einzig der (teilweise) Entzug sinnvoll, welcher aber durch die fortschreitende Vernetzung und durch die immense Relevanz des Internets und von Smartphones als Mittel der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Kurzum: ein Leben ohne Internet und Smartphone ist eigentlich undenkbar. Darauf zu verzichten, würde bedeuten, die letzten Verbindungen zu Freunden, zur Familie und Kollegen zu kappen, vorausgesetzt, dass diese weiterhin auf den bequemen Kommunikationsformen, die Messenger und Social Media bieten, bestehen.

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